Stadttourismus oder lieber eine leichte Brise?

27.05.2017
…eine Anomalie war das letzte , was von mir zu hören war. Dann besserte sich das Wetter und am Wind ließen sich 2 Bf. sogar besegeln. Aber leider hieß es nach Dirhami abfallen und so durfte derJockel wieder ran.
Weinig später passierte ich die Pakri-Inseln und das Kap Paldiski kam in Sicht. Ich glaubte mich in Cornwall: Eine wunderschöne Cliffküste ließ sich mit dem Fernglas verfolgen. Ich hatte Netz und konnte bei Wikipedia erfahren, dass Paldiski eine Vergangenheit als russisch-sowjetischer Flottenstützppunkt hatte. Hier wurde auch das Personal der Atom-U-Boote an Übungsreaktoren ausgebildet. Die früher schwedisch besiedelten Pakri-Inseln dienten als Jagdbomberzielgebiet. Paldiski war eine verbotene Stadt.
Heute dünn besiedelt und Naturschutzgebiete.  Im Süden zwischen den Inseln müsste ein schöner Ankerplatz sein.

Stunde um Stunde schnurrt der 10PS-Diesel vor sich hin. Immer zur halben Stunde wird heute die Position genommen, dann gelesen, in Törnführer und Seekarte geblättert , ein Powernapping in der warmen Sonne gemacht. Vormittags wird das Segeln probiert. Des Nachmittags eher motort. Ein jeder will abends in seinen Stall sprich in dem Hafen sein.
Der prüfende Blick der Skippers (das bin ich) schweift in die Weite der See, zu den Wolken, auf die Instrumente…. . Und wieder der Griff zum Glas – es ist das Fernglas gemeint-, um die abenteuerlich anmutende  Cliffküste Estlands abzusuchen. Ab und an ein ehemaliger sowjetischer Wachturm , ein Seezeichen oder der ein paar Schiffswracks. Bedrohlich die sich nähernde Cliffküste. Als ob Kanonenscharten ihren Rohre auf vorbeifahrende Schiffe richten. Ein sich schälender Leuchtturm an der Spitze des Kaps.
Bin ich wirklich allein hier ?

Lohusalu

Dann abends im komfortablen  Lohusalu angelegt,  vollgetankt am kommenden  Tagen Wäsche und ein paar Reparaturen gemacht. Gegen 14:15 kam dann Thomas mit Flieger und Bus an.

Wir haben keine halbe Stunde später abgelegt und bei ca. 4 Bf. ca. 17 sm vor dem Wind nach Naissaare Sadam, einem Hafen ca. 7 sm vor Tallin, gelaufen. Diese Insel beheimatete eine Minenfabrik aus sowjetischer Zeit. Viele dieser Relikte und eine Kleinbahn werden von uns besichtigt. Kein Strom. Keine Versorgung. Sind auf uns angewiesen. Haben heute das erste mal den Gasheizer in Betrieb. Aber schön hier.
Von hier geht es dann Freitag in der Früh nach Tallin.  Nochmals richtig Bunkern, Schärenführer für Finnland besorgen und dann vielleicht Sonntag Kurs Helsinki.

In Tallin haben in dem westlich gelegenen Museumshafen festgemacht. Ein wenig Schwell steht in dem großräumigen ehemalig militärisch genutzten Hafenbecken, dafür hat man ein interessantes Mainemuseum vor der Tür und darf recht rustikal auf einem ehemaligen amerikanisch-estnischen Grenzschutz-Eisbrecher in die Dusche und in die Sauna. Netter Hafenmeister und auch finnische Segler legen an.
In der City Arena soll es voll sein. Haben auch erst hier erfahren, dass man durch den Fährhafen per Ampel geleitet wird und man sich nicht von den Verbotsschildern irritieren lassen darf. Das nächste Mal.

Wir waren mittags und abends im Altstadtzentrum der mitteleuropäischen Metropole Tallin. Wahnsinn, wie sich die Stadt seit meinem letzten Besuch on den 90ern entwickelt hat. Mittags waren noch jede Menge Kreuzfahrer in der Stadt. Wie die Waldameisen in einer Ameisenburg.
Beide Male beeindruckte uns eine schick restaurierte Altstadt mit massig Menschen und Finnen sowie einladende Openair-Restaurants mit Türsteherinnen in historischer Kluft.
Haben uns per „Trip Advisor“ für das „Ill Dracon“ entschieden: Essen mit den Fingern wie im Mittelalter: Elchrippe, Salzgurken, Suppe, Bier.

Anschließend im Irish-Pub Fußball gesehen (Manchester – Ajax) und einige Guinness und Whisky getestet. Alles voller alkoholisierter Finnen. Waren dann um Mitternacht zum Boot zurück.


Bereits am Samstag haben genug von der Stadt und sind heute schon richtig Helsinki auf See. Auch wenn die Bedingungen mit wenig O 2-3 nicht so optimal sind. Wird vorläufig auch ohne Schärenführer gehen.

Gewitterwolken auf dem Väinameri

22.05.-24.05.2017
Nach meinem kurzen Segeltag am Montag schnappte  ich mir – nach dem Festmachen in der neuen, in noch keinem Törnführer verzeichneten Marina neben dem Fährhafen von Koivasto – den Rucksack und nahm den nächsten Bus. Ich wollte wenigstens etwas von der Insel Muhu sehen. Auf gut ausgebauter Straße ging es durch eine Mini-Taiga. Birken, Kiefern,  Lärchen im gemächlichen Abstand im zarten Grün. Ich habe das Gefühl, seit 4 Wochen dem Frühling hinterher gefahren zu sein. Jetzt ist er auf und davon; Frühsommer allenthalben?
Der Ort Viira ließ mich nicht zum Aussteigen bewegen, so dass ich ein weiteres Ticket nach Orissaare löste. Ein Ministädtchen mit Eiche auf dem Sportplatz, einem schicken Gymnasium und ein paar Lädchen.

Am Dienstag sollte das estnische Inselmeer „Vänameri“ bezwungen werden.

Das war fast so wie Schärennavigation, so dass ich schon mal kurz die Orientierung verlor.
Endlich auf Kurs mit Groß und Genua beobachtete ich ein Schauerwand, die meinte meinen Kurs queren zu müssen. Ich lief bereits mit halben Wind 6kn und hatte bald darauf weiter abzufallen,  so dass ich bei einer auffrischenden 4 das Groß wegnahm.
Kurz danach ein Donner. Reflexartig spulte ich die „Wetterregeln für Segler“ zum Stichwort Gewitter ab: …freien Seeraum suchen…Position nehmen…nach Väter Sitte navigieren…was essen…Maschine starten…und aufsTöpfchen gehen…
Letzteres machte ich nicht. Geduldig beobachtete ich die offensichtliche Gewitterwand.
Und ich näherte mich dem Rukkiharu-Kanal, einer schmalen Baggerinne. Mit mir eine doch recht großen roten Inselfähre. Die wird doch nicht? Doch! Sie überholte.


Als ich mich wieder auf das Wetter konzentrierte, war die Wand nahezu aufgelöst.
Der Rest war einfach. Unter Motor weiter nach Haapsaalu. Zum Segeln im engen Fahrwasser war mir die Lust vergangen.

Ich bin übrigens nach einem Fazit der ersten 3 Wochen gefragt worden. Meine Antwort:
Jede Stunde ist es wert, auch wenn bisher drei- oder viermal die Frage aufkam: Was in aller Welt mache ich hier eigentlich?
Naja die Kreuz vor Darlowo bei NO4 mit unter 10 Grad,  der Schauer morgens 6:00 auf der Reede vor Klaipeda nach übermüdeter Überfahrt  und die anschließende 2 m Kappelwelle vor den Molenköpfen oder auch der mit Schweinesteaks überfressene Magen beim Ablegen von Koiguste…..

In Haapsaalu fand ich nochmals Kontakt zum Italiener, der 2 Tagen voraus war:
Hallo Cesare
I arrived Haapsaalu today and found your cellphone-number by the reception. We started in Klaipeda 1 Day after you and my friend also left me after Liepaja and Pavilosto in Ventspils.
My last harbours were Kuressaare,  Koiguste, Kuivasto.  The next Konvoi of Danish and German sailors left Liepaja today.
My next friend will arrive me in Lohusalu.
I don’t think, we will catch you
With Greatings Guido Koch

Cesare Magnelli SY Flufuns: Thank you. I am in Tallinn and today fly to Italy. I return 19 of june and then go to Finland.

Anschließend war Sightseeing in Haapsaalu angesagt. Die Ruine der Bischofsburg, der zaristisch anmutende Museumsbahnhof, die vielen Holzvillen des alten Kurbades.

Heute geht es Kurs Osten. Statt eines leuchtend blauen Finnischer Meerbusen erwartet mich bei hellgrün schimmernder See ein tief wolkenverhangenes Grau in Grau mit Nieselregen und 9°C.

Dazu eine lokale magnetische Anomalie nach der nächsten.  Der Pinnenpilot ist praktisch nur als Pinnenpositionshalter zu gebrauchen. Wie hat man hier ohne GPS und Kartenplotter navigiert?

Allein auf dem Rigaischen Meerbusen

22.05.2017

Heute habe ich um 7:00 abgelegt,  weil der „Hafen“  Koiguste bereits bei dem einsetzenden NW 3 ungeschützt war. Wohin es geht, weiß ich noch nicht. Die einsetzende Westlage ist unbeständig dafür aber nicht so kalt im Gesicht wie der NO-Wind.

Aber der Reihe nach. Am Samstag ging TSL von Bord und ich habe 2 neue Flaggen gesetzt: die estnische statt der lettischen Gastlandflage und den Alleinseglerwimpel um anschließen bei spiegelglatter See nach Norden zu motoren.
Nah der Passage der IRBEN-STRASSE bin ich von den estnischen Kollegen kontrolliert worde. Sie versicherten mir, ich sei ihr erster derartiger Fang in diesem Jahr.


In Saaremaa’s Inselhauptstadt Kuressaare angekommen überraschte mich in einem Tip-Top-Hafen (25€) eine rühriger Hafenmeister namens Oskar und eine zum „Nacht der Museen“ geöffnete Arensburg.

Die Ausstellung war große Klasse.  Neben der Dokumentation der mehrmaligen Eroberungszüge der Insel in den letzten 100 Jahren gab es auch ein Treffen mit alten Bekannten:


Gestern wollte ich zur mitten im RB 40 sm entfernt liegenden Insel Ruhnu, kam aber erst nach dem Tanken um 9:00 los und musste die ersten Meilen kreuzen, bis schließlich der Wind einschlief. So bin ich dann in Richtung Koiguste abgebogen, auch weil heute ein „Mehrwind“ vorausgesagt war.
Schließlich bin ich dann gegen 18:00 in das Koiguste-Fahrwasser eingelaufen vergeblich nach den im Handbuch angekündigten Tonnen Ausschau haltend. Die waren noch an Land ausgelegt.


Dafür wurde ich von Nicolas dem Junginvestor und Besitzer zu einem Drink und zum Studium der Baupläne eingeladen, und war anschließend in der Sauna. Der Nicolas (Drachensegelprofi und 3/4-Weltumsegler) verzog sich dann und ich blieb allein in der noch in Planung befindlichen Marina.

Habe ausserdem einen Knoten im Bauch. Hatte wohl nach der Sauna die beiden Steaks nicht essen sollen.

Jetzt motore ich nach Norden in Richtung SUUR-STRASSE.V on Wind keine Spur.
Ahoi

SY Havet irgendwo zwischen Ventspils und Lt. Kolka.

18.-20.05.2017

Vorgestern war TSL von Pavilosta nur mit sanfter Gewalt wegzubekommen. Bis spät in die Nacht hatten wir auf am Donnerstagabend auf einem in die untergehende Sonne, den roten Abendhimmel und die Weite der Ostsee gestarrt. Mir kommt es so vor, als wenn die Anreise jetzt erst vorbei ist, obwohl bereits in Gustow auf Rügen die Reihe der mir unbekannten Häfen und später auch Gewässer begann.

Ehemaliger Grenzturm

Die Eindrücke des gestrigen Super-Segel-Tages hat mein „Social-Media-Officer“ bereits sehr treffend auf *.jpg’s gebannt und auch meine Unlust dazu etwas zu schreiben.

Nach einem gemütlichen Anlegerbier Freitagnachmittag in Ventspils (Windau) mit dem englischsprechenden Hafenmeister (2 Jahre NL) haben wir uns mit Leihrädernauf die Suche nach einer neuen Steuerkette begeben. In „stainless steel“ war sie nicht zu bekommen und hat zudem ein wenig Spiel. Bei Lukoil wurde der 5l-Kanister mit russischem Kraftstoff befüllt und eine Stadtbesichtigung vorgenommen. Der Hafen sieht sehr industriell aus und riecht auch so.

Industriehafen Ventspils

Heingegen ist die Stadt durchweg sauber, die Straßen modern gepflastert, Rad- Gehwege sind mindestens gefegt. Leider stehen mehr als die Hälfte der Altstadtgebäude leer und unterstreichen die Gegensätze: traditionell anmutende Holzhäuser, attraktive – teils renovierungsbedürftige – Altstadtarchitektur der 20er, sowjetischer Pfusch, und Top-Moderne machen sich dicht gedrängt aber charmant den Platz streitig. Aufällig sind die schönen Parks, wo immer noch Tulpen und Narzissen verblühen und es deutlich mehr Sitzbänke als Einwohner gibt.
Den Abend krönte ein Essen im „Trip-Advisor-No.1“-Restaurant. Danke an TSL für die Einladung.
Heute hieß es um 7:30 „Time to say Good Bye“.

Abschied

Ein Taxi hat TSL weggeholt: ich glaube zu einem Busbahnhof, von dem er dann nach Liepaja und anschließend nach Travemünde übersetzt.


Bei spiegelglatter See motore ich zu Saxophonklängen aus der Musikbox unter dem Einhandwimpel auf den Rigaer Meerbusen zu…..